Mark Ziegler, 32, und seine Frau Denise, 29, hatten genug vom Stadtleben in Zürich. Der Schweizer und die Französin beschlossen, ein Jahr in Lappland zu verbringen. Am Kilpisjärvi-See schreibt der Biologe an seiner Doktorarbeit, seine Frau arbeitet als Journalistin. Im Interview mit Magazin.de erzählen die beiden über ihre neuen Lebenserfahrungen.
Magazin.de: Herr Ziegler, warum schreibt ein Züricher Biologe seine Doktorarbeit an einem finnischen See? Hatten Sie keine Ruhe zum Schreiben in Zürich?
Mark Ziegler: Ja, das war ein wichtiger Grund. Meine Frau und ich haben keine Lust mehr auf Lärm, Menschenmassen, Staus und Stress. Als Alternativen zu Finnland hatten wir Alaska, Grönland und Kanada auf der Liste. Wir haben uns für Finnland entschieden, weil es ein hochentwickeltes und sicheres Land ist, wo Dinge gut funktionieren. Das fängt bei der Verwaltung an und hört beim WLAN auf. Außerdem steht meine Frau auf finnische Metalbands …
Magazin.de: Gibt es noch andere Gründe?
Mark Ziegler: Meine Doktorarbeit natürlich. Ich studiere an der ETH Zürich Umweltwissenschaften und das Thema meiner Arbeit ist der Klimawandel in arktischen Gebieten und seine Auswirkungen auf die Rentierzucht.
Magazin.de: Ein Schweizer, der sich für Rentiere interessiert, das findet man selten. Wie fanden Sie denn die ersten 10 Monate in Lappland?
Mark Ziegler: Sehr abwechslungsreich, lehrreich und schön. Ein Leben mitten in der Natur, ohne Autoabgase und Hektik – und mit Blick auf den See! Was will man mehr?!
Denise Ziegler: Besonders die saubere, unberührte Natur hat uns gefallen, und dass es hier noch vier Jahreszeiten gibt. Als wir im Sommer hierher kamen, hatte ich große Probleme einzuschlafen. Es war einfach zu hell. Jetzt im Winter finde ich die Polarlichter einfach faszinierend.
Magazin.de: Gab bzw. gibt es für Sie Herausforderungen im Alltag?
Denise Ziegler: Die Entfernungen hier sind riesig. Grundlebensmittel und was man sonst noch so im Alltag braucht, bekommt man schon in Kilpisjärvi, aber wenn man shoppen gehen will, muss man entweder nach Rovaniemi oder Tromsø fahren. Nach Rovaniemi sind es über 400 Kilometer und nach Tromsø circa 160 Kilometer. So weit ist es auch bis zum nächsten Krankenhaus. Wir hoffen natürlich, dass uns nichts Schlimmes passiert.
Magazin.de: Was hat Sie überrascht?
Mark Ziegler: Wir kamen Ende Mai nach Finnland und in Helsinki war es bereits richtig sommerlich warm. Als wir dann in Kilpisjärvi ankamen, lag hier noch jede Menge Schnee und der See war zugefroren. Der Schnee hat unser Leben schwerer gemacht. Z. B. ein paar Mal sind wir gar nicht aus dem Haus gekommen, weil so viel Schnee vor der Tür lag.
Denise Ziegler: Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass der Internetanschluss so wunderbar in dieser Einöde funktioniert. Meine Blogbeiträge, Radiofeatures und Zeitungsartikel kann ich hier ganz problemlos schreiben und teilen.
Magazin.de: Was waren bislang die absoluten Höhepunkte Ihres Aufenthaltes?
Denise Ziegler: Mark hat einen Kollegen in seinem Team, der uns zum Fluss Tenojoki mitgenommen hat, um dort zu fischen. Wir haben Lachs gefangen und ihn geräuchert. Superlecker!
Mark Ziegler: Im Wald findet man 50 Meter hinter unserem Haus Blaubeeren und Preiselbeeren. Mit unserem Nachbarn Lauri sind wir einmal Moltebeeren pflücken gegangen. Für uns war der Ausflug ein einzigartiges Erlebnis, weil wir in den fünf Stunden keinen einzigen Menschen getroffen haben. So etwas kann man sich als Stadtbewohner schwer vorstellen.
Magazin.de: Die Lebensqualität in Zürich ist im weltweiten Vergleich sehr hoch. Mussten Sie hier auf viele Dinge verzichten?
Mark Ziegler: Nein, im Gegenteil. Ich habe festgestellt, dass man mit ganz wenig sehr gut leben kann. Unsere Lebensqualität hier ist viel höher als in der Schweiz, obwohl wir hier viel einfacher leben. Wir haben für den Winter Beeren und Pilze eingefroren und von unserem Nachbarn haben wir Rentierfleisch gekauft. Uns gefällt es, dass man sein Essen selbst aus der Natur holen kann, ohne dass man einen großen ökologischen Fußabdruck hinterlässt. Wir genießen das Leben in Lappland sehr und planen sogar, länger hier zu bleiben.
Magazin.de: Vielen Dank für das Interview!
Mark Ziegler: Gern geschehen!